Interview mit (k)einem Vampir: Im Gespräch mit Katrin Redepenning, Teil 2
Im zweiten Teil unseres Interviews schauen wir uns die Historie und den Volksglauben rund um den Mythos “Vampir” einmal genauer an. Wir sprechen über den “Nosferatu”, der eben kein eleganter düsterer Charmeur ist, und vergleichen historische mit aktuellen Darstellungen der beliebten Blutsauger – Glitzervampire inklusive.
Liebe Katrin, denkt man nun an “moderne“ Darstellungen von Vampiren — besonders in beliebten US-Serien wie Vampire Diaries, The Originals oder True Blood — dann kommt einem die Strategie aus Bram Stoker’s Dracula ziemlich bekannt vor. Böser, gnadenloser Vampir verliebt sich schönes, menschliches Mädchen und zeigt sich plötzlich verletzlich. Ist das schon das große Geheimnis? Oder steckt noch mehr dahinter?
Das ist ein gängiges Strickmuster nach dem Schema “Beauty and the Beast“. Dahinter steckt die romantische Vorstellung der großen (ewigen) Liebe und der Wunsch, das Biest zähmen zu können – zumindest für den Eigenbedarf.
Im Fall der Kombination mit Vampiren impliziert das auch immer die Möglichkeit der Unsterblichkeit. Eigentlich wird hier ein sehr christliches Thema aufgeworfen, nur in Verbindung mit der “dunklen Seite” der Macht. Wobei man sich im Bezug zum christlichen Glauben dann natürlich auch fragen kann, warum (und wie) ist Jesus nach drei Tagen auferstanden von den Toten? War er vielleicht ein Vampir? Dazu findet man auch im Internet viele Theorien.
Generell gibt es sehr viele Parallelen des Vampirismus auch zum heute zelebrierten aktiven christlichen Glauben. Nehmen wir mal als Beispiel das Abendmahl. Die Austeilung von Brot oder Hostie und Wein wird begleitet mit den Worten “Der Leib Christi“ und “Das Blut Christi.“ Die Gläubigen feiern die Auferstehung Jesu und die damit verbundene Möglichkeit der Unsterblichkeit der Seele sowie die Wiedergeburt. Dieses Thema mit der Verknüpfung des Vampirismus ist ein sehr weites Feld.
Es gibt ja verschiedene Typen des Vampirs. Den Eleganten, den in Lumpen, den Feingeistigen, der sich beherrschen kann, die dumpfe Tötungsmaschine… Wenn man jetzt mehr an die Historie und den Volksglauben denkt – was fällt Dir dazu als erstes ein?
Der Vampir wird unter anderem als Widergänger bezeichnet. Im albanischen Sprachgebrauch verwendet man auch den Begriff “dhampir“, dessen Silben bedeuten “Zahn“ und “trinken.” Wir stellen uns – wenn wir den Begriff Vampir hören – häufig den eleganten düsteren Charmeur vor. Aber es gibt noch eine andere bekannte Gestalt: den Nosferatu.
Der Nosferatu im eigentlichen Sinn ist ein Begriff aus dem rumänischen Volksglauben und bezeichnet eine Sagengestalt, den sogenannten “Pestbringer.“ Im Gegenzug zu normalen Vampiren ist er aber nicht daran interessiert, neue Vampire zu erschaffen, sondern will einfach nur Tod und Leid bringen. Der Nosferatu geht im Gegenzug zum “dunklen Helden-Vampir“ nicht elegant, sondern in Lumpen. Auch hat er keine Eckzähne, sondern angespitzte Schneidezähne. Sein Symboltier ist die Ratte.
Wir finden eine kleine Vermischung des Nosferatu mit Dracula im Film “Nosferatu – Phantom der Nacht“ mit Klaus Kinski. Der erste Teil beinhaltet Parallelen der bekannte Reise des Jonathan Harker, der auf Dracula in Transsylvanien trifft. Da endet es aber aber auch schon. Jonathan hat eine andere Frau, Dracula beißt ihn selbst, und Jonathan reist infiziert nach Wismar. Der Graf reist ebenfalls per Schiff nach Wismar und bringt mit vielen eingeschleppten Ratten die Pest dorthin.
Der Stoff des Nosferatu wurde 1922 erstmalig verwendet in Murnaus Klassiker “Nosferatu – eine Symphonie des Grauens“ und wird frei nach der Geschichte von Stokers Dracula nacherzählt. Hintergrund ist, dass die Fassung nicht autorisiert wurde. Der Film sollte sogar nach einem verlorenen Urheberrechtsstreit vernichtet werden. 2000 erschien ein neuer Film, der den Nosferatu von einer anderen Seite aus betrachtet. “Shadow of the Vampyre“ greift die Idee auf, dass Max Schreck – der Darsteller des Nosferatu – tatsächlich ein Vampir gewesen ist. Eine sehr sehenswerte Hommage an Murnaus Klassiker mit vielen interessanten und spannenden Ideen.
Und dann gibt es noch den Glauben, dass Vampire eine große Schwäche haben: das Zählen …
Ja, diese Facette hat mich immer fasziniert: Im historischen Glauben versuchte man, den Vampir davon abzuhalten, sich aus dem Grab zu erheben. Es wurden den Toten Erbsen, Saatkörner etc. mit ins Grab gegeben oder ums Grab herum verstreut. Sollte sich der Verstorbene nun als Vampir erheben, müsste er erst einmal alle Körner zählen. Dies sollte ihn davon abhalten, sich an den Lebenden zu vergehen. Das passt auch zum “Graf Zahl” aus der Sesamstraße. Darüber haben wir ja schon gesprochen. (Siehe Teil 1 des Interviews)
Ich möchte hier jetzt keine Grundsatzdiskussion lostreten, aber gibt es historisch gesehen eigentlich auch bekannte weibliche Vampirinnen?
Ja, dazu wollte ich gerade kommen. Eine der bekanntesten historischen Figuren ist ja Vlad Tepes, das Vorbild zu der Figur “Dracula“ von Bram Stoker. Im gleichen Atemzug haben wir aber auch eine bekannte weibliche Vertreterin: die adlige ungarische Gräfin Erzebet Bathory. Sie ist eine Serienmörderin, die in dem Blut junger Mädchen badete, um sich so jung zu erhalten. Sie ist als Blutgräfin bekannt und steht ebenfalls Pate für viele weibliche Vampirfiguren.
Spielen wir eine kleine Runde “This or That“. Versuche, die Fragen möglichst schnell und ohne lange nachzudenken zu beantworten.
Jonathan Harker oder Graf Dracula?
Graf Dracula
Tanz der Vampire: Film oder Musical?
Fast gleichauf. Kann man so gar nicht vergleichen. Der Film ist komischer und zieht einen sehr in den Bann, das Musical ist sehr dynamisch und hat tolle Tanzszenen.
Interview mit einem Vampir oder From Dusk Till Dawn?
Hach. Auch beides schön. Kann mich nicht entscheiden.
Glitzervampire oder brennende Haut bei Tageslicht?
Also dann ganz klar die brennende Haut bei Tageslicht 🙂
Bleiben wir trotzdem noch einen Moment lang bei den Glitzervampiren. Auch wenn traditionelle Dracula-Fans mit der Twilight-Saga nicht viel anfangen konnten, waren sowohl die Bücher als auch die Filme ein weltweiter Megaerfolg. Stephenie Meyer ging als Schöpferin in die Geschichtsbücher ein. Was denkst du, warum die Faszination auch hier so groß ist? Gibt es trotz aller Unterschiede Parallelen zur Legende um Graf Dracula?
Ich denke, das hat gut funktioniert, weil sie die jugendliche Zielgruppe angesprochen hat. Früher in meiner Jugend gab es z.B. die Mysteryhefte (Groschenromane für 12 bis 16-jährige), die behandelten andauernd solche Themen. Dann waren diese Hefte irgendwann vom Markt. Eine Lücke entstand. Und ich denke, sie hat diese Lücke für sich entdeckt und versucht, einige neue Ideen wie das Glitzern einzubauen. Gleichzeitig kommen aber auch die alten Themen wie der Kampf der Giganten “Werwolf vs. Vampir“ in die Erzählung.
Erlaubst du uns zum Abschluss noch einen kurzen Blick in deine private Book- und Watchlist? Was finden wir außer düsteren Vampirromanen und -filmen dort noch?
Tatsächlich fast alle literarischen Klassiker. Weiterhin Sachbücher zu verschiedene Bereichen der Psychologie, Biographien und Thriller.
Danke, Katrin!
Über Katrin Redepenning
Katrin Redepenning ist Sängerin, Gesangs- und Theaterpädagogin und in Hamburg für verschiedene Auftraggeber im Bereich der darstellenden Künste tätig. Nähere Informationen können Sie der Homepage entnehmen: www.katrin-redepenning.de